"Big Poppa Bob" hat noch was lesenswertes gefunden ^^
Ist zwar zum Teil nur linkssozialistisches, antikapitalistisches Gutmenschengequatsche u. bezieht sich auf die EM2008 aber ein paar nette Fakten zum Thema sind durchaus enthalten:
(Musste den Beitrag in mehrere Teile splitten, weil zu lang ^^)
Teil1
Gegen Kommerz, Repression und NationalismusSie naht mit großen Schritten: Die Fußball-Europameisterschaft der Männer vom 7. bis 29. Juni 2008 in Österreich und der Schweiz. Und sie wirft bereits ihre Schatten voraus: Bei Billa, einem offiziellen UEFA
Euro 2008-Shop, gibt es offizielle UEFA Euro 2008-Berner Würstel zu kaufen, die Post bietet ein Fußballsparbuch an und wer Angst vor Hooligans hat, kann bei der Wiener Städtischen eine
"Vandalismus-Versicherung" abschließen. Ach ja, Fußball wird auch gespielt. Doch der Preis für spannende Matches und schöne Tore ist hoch: Preissteigerungen, ein Ausbau von Repression und Überwachung, ein Aufflammen des Nationalismus und nicht zuletzt eine weitere Kommerzialisierung des Fußballsports sind zu erwarten.Der moderne Fußball hat in seiner über 150-jährigen Geschichte mehrere Phasen durchlaufen. Vom exklusiven Sport britischer Eliteschulen entwickelte er sich Ende des 19. Jahrhunderts in vielen europäischen
Ländern rasch zum Lieblingssport der (männlichen) Industriearbeiterschaft. Zahlreiche ArbeiterInnenvereine entstanden, die Spiele waren teilweise proletarische Massenspektakel. Vor allem nach 1945 setzte aber seitens der herrschenden Klassen der Versuch ein, den ArbeiterInnensport Fußball durch Kontrolle und
Instrumentalisierung in den Griff zu bekommen. Besonders in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten ist eine zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs (aber auch anderer Sportarten) zu bemerken. Dabei gerät das eigentliche Spiel immer mehr zur Nebensache, die großen Vereine mutieren zu Fußball-Konzernen (oft Aktiengesellschaften) und die Wettbewerbe werden zunehmend nach den Bedürfnissen von Sponsoren und Medienwirtschaft ausgerichtet (z.B. in punkto Beginnzeiten oder Modus - siehe etwa die UEFA Champions League). Und jede Fußball-Großveranstaltung stellt einen weiteren Schritt in diese Richtung dar.
Die Ursachen für diese Entwicklung liegen in der weltweiten Umgestaltung des kapitalistischen Systems seit den 70er Jahren begründet. Als das so genannte "Wirtschaftswunder" Mitte der 70er Jahre sein Ende fand, wendete das Kapital zahlreiche Strategien an, um die Profitraten wieder zu heben. Privatisierungen oder der neoliberale
Umbau des "Sozialstaats" wären hier etwa zu nennen. Eine Strategie war aber auch, bisher nicht oder nur wenig "vermarktwirtschaftlichte" Gesellschaftsbereiche für die Kapitalverwertung zu erschließen. Dazu gehört auch der Fußball.
Ein Werbespektakel mit FußballturnierEin wesentlicher Teil der zunehmenden Kommerzialisierung des Fußballs ist die von UEFA-FunktionärInnen, Nobelvereinen und Sponsoren vorangetriebene Schaffung reiner Sitzplatzstadien, die häufig mit der
angeblich höheren "Sicherheit" gerechtfertigt wird. Das bedeutet aber auch weniger Eintrittskarten zu höheren Preisen. Bei der EM wird der Preis für das günstigste Ticket übrigens 45 Euro ausmachen - im europäischen Fußball heute völlig normal. Beim ehemaligen ArbeiterInnenverein FC Liverpool etwa kostet die billigste Saisonkarte 646 Euro. Beeinträchtigte Sicht inklusive. Doch nicht alle müssen zahlen: 23%, also knapp ein Viertel, der EM-Tickets sind für Sponsoren, MedienvertreterInnen, UEFA-FunktionärInnen etc. reserviert.
Eine weitere Folge der Kommerzialisierung ist die Überflutung der Stadien mit Werbung, die mit dem Argument gerechtfertigt wird, der Fußballbetrieb wäre sonst nicht mehr finanzierbar (warum war er das dann früher?). Während die Konzerne mehr und mehr Platz für Werbung bekommen wird es den Fans immer weniger erlaubt, Transparente und Spruchbänder aufzuhängen (Aus welchen Gründen auch immer - zum Beispiel kündigte der ÖFB nach den Protesten der Rapidfans beim Länderspiel gegen Schottland an, Transparente zukünftig "auf inhaltliche
Unbedenklichkeit überprüfen" zu wollen).
Für viele Fußballfans ist aber die Organisierung von Choreographien, "Pyroshows" (Aktionen mit Feuerwerkskörpern) oder Spruchbandaktionen eine angenehme Abwechslung vom grauen kapitalistischen Arbeitsalltag; ein Bereich, in dem endlich einmal sie selbst kreativ werden können. Ganz im Sinne des offiziellen EM-Slogans "Erlebe Emotionen" möchte man/frau meinen. Doch genau diese Auslebung von Emotionen wird ihnen in den letzten Jahren seitens UEFA und Co. immer schwerer gemacht. Strenge Auflagen, Verbote, Repression und Kontrolle zerstören die Selbstinitiative der Fans - zumeist mit dem "Sicherheits"-Argument. In Wirklichkeit aber geht es darum, etwaige Kritik am Fußball-Establishment und der zunehmenden Kommerzialisierung
schon im Keim zu ersticken. Kritik ist nicht erwünscht, was gefragt ist, sind brav klatschende KonsumentInnen als Staffage für das Fußball-Theater. Bei der WM 2006 in Deutschland waren (oft selbst gemachte) Fanutensilien wie Doppelhalter, große Schwenk- oder Überrollfahnen und Megaphone gleich einmal komplett verboten, bei dieser EM wird es nicht anders sein. Dafür gibt's reichlich McDonald's, Carlsberg, Coca Cola und Co. Ein Werbespektakel mit Fußballturnier…
Geht's der Wirtschaft gut, geht's der Wirtschaft gutDie Auswirkungen der "Euro" reichen weit über den Fußball hinaus. Ein sehr offensichtliches Beispiel ist die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, die einen schweren Angriff auf den Lebensstandard der Handelsangestellten bedeutet. In Wien ist beispielsweise die Sonntagsöffnung zur EM durchgesetzt. Handelsvertretung und Gewerkschaft einigten sich darauf, dass die Geschäfte an vier Sonntagen während der
EM von 12 bis 18:00 Uhr offen halten dürfen. Nun wird von beiden Seiten beteuert, dass diese Einigung "kein Präjudiz für die Zukunft" sei sondern nur eine Ausnahmeregelung abgestimmt auf die Bedürfnisse der
EM-TouristInnen. Da fragen wir uns aber schon, warum dann die Wirtschaftskammer sogar die Öffnung von Möbelhäusern und Baumärkten durchsetzen wollte - Geschäfte, deren Waren Fußballfans bei
Österreich-Aufenthalten bekanntlich immer dringend brauchen. Darüber hinaus können wir in den letzten Jahren einen eindeutigen Trend in Richtung Ausweitung der Öffnungszeiten feststellen und der Druck der
HandelskapitalistInnen auf die Politik (und auf die eigenen Angestellten) wird nach der EM-Erfahrung sicher nicht schwächer werden.
Nicht nur die Handelsangestellten, sondern die gesamte ArbeiterInnenklasse wird allerdings von einer anderen Verschlechterung betroffen sein: Den Preiserhöhungen. Wer in die hochgejubelten Fanmeilen geht und dort 4,5 Euro für einen halben Liter Bier oder 3,5 Euro für antialkoholische Getränke ausgibt, ist selber schuld.
(Amüsantes Detail am Rande: Vizebürgermeisterin Grete Laska von der SPÖ findet das "nicht extrem teuer"). Doch die generellen Erhöhungen der Preise werden alle betreffen, insbesondere jene mit geringem Einkommen.
Entsprechende Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass die Preise
rund um solche Großereignisse allgemein rasant ansteigen - und dann nie wieder fallen. Angesicht der aktuell hohen Inflation bei Lebensmitteln, Energie, Mieten etc. eine Katastrophe für die ArbeiterInnenklasse. Hier
wäre der ÖGB gefragt, der für eine gleitende Skala der Löhne und für Preiskontrollen kämpfen müsste.
Apropos Fanmeile: Diese wird in Wien - wie die Wiener Zeitung vom 15.01.08 berichtet - acht Millionen Euro kosten und ein Verlustgeschäft (!) für die Stadtregierung sein. Doch das ist bei weitem nicht der einzige Rauswurf von Steuergeld. So bekommt die Gesellschaft "Österreich am Ball GmbH", die mit Aktionen wie den
"Botschaftern der Leidenschaft" die EM-Stimmung in der Bevölkerung heben soll satte zehn Millionen Euro aus dem Staatsbudget (Der Standard, 24.10.2007). Aber warum eigentlich ein Ereignis bewerben, auf das sich angeblich eh alle freuen und dass uns ohnehin nicht erspart bleibt? Diese Beispiele sind jedoch nichts als Peanuts gegen die Kosten für den Um- Aus- oder Neubau der verschiedenen EM-Stadien in Österreich
und der Schweiz, die insgesamt 900 Millionen Euro betragen (Quelle:
http://www.euro-2008.li/index.shtml). Zum Vergleich: Die Kosten für die dringend benötigte Renovierung der Spielstätte des Wiener Sportklubs
werden auf 9 Millionen Euro geschätzt - also 1% davon. Dazu kommt, dass einige der EM-Stadien nach der "Euro" wieder zurückgebaut werden, da sie viel zu groß für den Liga-Alltag sind...
"Die EM ist eine gigantische Umverteilungsaktion, bei der aus dem, heutzutage großteils nur mehr aus Massensteuern finanzierten Budget, Millionen entwendet werden, um für die "Euro" jene Infrastruktur bereit zu stellen, auf deren Grundlage einige Konzerne das große Geld machen können."
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Aber, werden jetzt vielleicht einige einwenden, bringt uns die EM denn nicht auch etwas? Ist sie nicht ein Segen für die Tourismusbranche, kurbelt sie nicht "unsere Wirtschaft" an? Nun, diese Einwände wären nur dann berechtigt, wenn der Slogan der österreichischen Wirtschaftskammer "Geht's der Wirtschaft gut, geht's
uns allen gut" zutreffen würde. Aber diese kapitalistische Propaganda steht eben im schroffen Widerspruch zur Realität. Zum Beispiel machte der Handykonzern Nokia 2007 7,985 Milliarden Euro Gewinn. Trotzdem wird
er sein - gewinnbringendes (!) - Werk in Bochum schließen. Ein anderes Beispiel liefert die Post-AG, übrigens einer der drei österreichischen EM-Sponsoren. Fast 50% aller Postämter wurden in den letzten sechs
Jahren zugesperrt, dafür macht das Unternehmen jetzt 400% mehr Gewinn. Der Schweizer EM-Sponsor Swisscom hingegen konnte 2007 einerseits seinen Gewinn wieder einmal steigern und gab andererseits bekannt, in den letzten Jahren jährlich 500 bis 800 Jobs abgebaut zu haben. Wem geht's jetzt eigentlich gut?
Damit der österreichische (Hochpreis-)Tourismus aber noch besser profitieren kann, so meinen zumindest Politik und Werbewirtschaft "soll sich Wien, auch in Hinblick auf die Fußball-EM 2008, von seiner schönsten Seite zeigen" (Presseaussendung der Gewista vom 17.10.2007). Und da Mitte 2008 "Wien im Rahmen der Fußball-EM im internationalen Blickwinkel stehen" wird, überlässt es dieStadtregierung dem Werbemonopolisten Gewista "das Problem der hässlichen Wildplakate in den Griff kriegen" (ebd.). Das Plakatieren auf Stromkästen oder Ampelmasten, welches bislang geduldet wurde, ist nun strikt verboten, stattdessen gibt es jetzt kostenpflichtige
Plakatflächen der zur Gewista gehörenden "KULTUR:PLAKAT GmbH". Ein Pech für all jene, die ihre kulturellen und politischen Veranstaltungen bewerben wollen, sich diese Plakatflächen aber nicht leisten können. Die ersten großen Werbekampagnen gab es bei "Kultur:Plakat" übrigens für Kulturveranstaltungen wie die "Erotik-Messe"…